Loveline BRYNNTRUP
Loveline BRYNNTRUP

Das Programm:
MEIN ZWEITER VERSUCH 10 min, 1993
ALL YOU CAN EAT 5 min, 1993
TODESSTREIFEN9 30 min, 1995
LIEBE, EIFERSUCHT UND RACHE, 7 min, 1991
HERZSOFORT.SETZUNG 11 min, 1994
LOVERFILM 22 min, 1996

Michael Brynntrups Arbeiten beruhen auf wahren Begebenheiten, wie er im Zusammenhang mit einer seiner Arbeiten formuliert. So ist der Abend mit seinen Arbeiten auch aus dieser sehr persönlichen Sicht gestaltet. Daß es dabei aber nicht wirklich nur um (persönliche) Sichtweisen, sondern auch ums Hinterfragen derselben geht, beweist Brynntrup schon damit, daß seine Arbeiten auch schon im Museum of Modern Art in New York gezeigt wurden.  
"Mein zweiter Versuch" erzählt eigentlich über seinen ersten Versuch, mit einer Videokamera umzugehen, erzählt vom Autor viel und vom Filmemachen auch. Berechtigt wurde er in weiterer Folge einmal als "anarchische Frischzellenkur auf Zelluloid" bezeichnet.  
In all seinen Filmen haben höherer Blödsinn ebenso Platz wie formalästhetische Analysen. Die Frage der Wahrnehmung ist wohl ein Schlüssel zum Verständnis seiner Filme. Gehorcht die Wahrnehmung logischen Gesetzen oder ist sie vielmehr ein Geflecht aus Assoziationen? "All you can eat": ein Stück Film aus found footage zusammengesetzt- gefunden hat er Männer aus alten Pornofilmen, besser gesagt die Gesichter von Männer beim sexuellen Akt. Der eigentlich Film läuft im Kopf des Zuschauers ab. Die Sexualpraktiken sind durch die Wahl des Filmausschnitts nur zu ahnen, der Phantasie des Zuschauers bleibt es überlassen, was außerhalb des Filmausschnitts passiert. In jeden Fall ist ein appetitanregendes Häppchen am heißen Buffet, ein herrlich-männlicher Film, der das Unbewußte im Zuschauer zur Leinwand macht.
In "Todesstreifen" hält sich ein junger Mann im Niemandsland auf. Gleichzeitig sieht man ihn sitzend an eine Mauer gelehnt, den Blick auf die verwilderte Umgebung. Die Perspektiven von innen und außen vereinigen sich in einem phantastischen Schnittpunkt von gegenläufigen Bewegungen, schnellen Kamerafahrten und Momentaufnahmen. 
Ein weiteres Versatzstück aus Brynntrups Werkstatt: "Liebe, Eifersucht und Rache", eine "spontane, kitschige, treffsichere pikante Völkerverständigungsparabel", wie es in der Bergründung bei der Preisverleihung beim Dresdner Filmfest hieß. Der Undergroundstar BeV StroganoV telefoniert als Mann in einer Schwulenbar am einen Ende, als aufgedonnerte Tussi am anderen Ende der Leitung bis zum pornopraphischen Ende. Ein weiteres Versatzstück: " Herzsofort. Setzung!" - ein Spiel mit dem eigenen Bild, Metamorphosen, Narziss- mus, Selbstbespiegelungen, Selbstreflexionen, Selbstzersetzungen. 
Und schließlich "Loverfilm" - ein persönliches Tagebuch über die Liebhaber des Michael Brynntrup oder eine höchst artifizielle und höchst erotische Männerköpfegallerie - eben eine unkontrollierte Freisetzung von Information, wie Brynntrup selbst schreibt.In Zeiten einer Informationsgesellschaft geht Brynntrup mit seiner Liebhabergallerie auch um wie mit einer Datenbank. Ergebnis: Ein sehr struktureller, serieller Film, aber auch mit den persönlichen Kommentaren gespickt, ein sehr witziger, selbstreflektiver und erotischer Film. Und daß das Schwulsein oder das Schwule in seinen Filmen provozieren könnte, sieht Brynntrup als sehr subjektive Reaktion. Schließlich sei, so Brynntrup in einem Interview das Schwule Realität und somit normal. Walter Hiller