Michael Brynntrups Arbeiten
beruhen auf wahren Begebenheiten, wie er im Zusammenhang mit einer seiner Arbeiten
formuliert. So ist der Abend mit seinen Arbeiten auch aus dieser sehr persönlichen
Sicht gestaltet. Daß es dabei aber nicht wirklich nur um (persönliche)
Sichtweisen, sondern auch ums Hinterfragen derselben geht, beweist Brynntrup
schon damit, daß seine Arbeiten auch schon im Museum of Modern Art in
New York gezeigt wurden.
"Mein zweiter Versuch" erzählt eigentlich über seinen ersten
Versuch, mit einer Videokamera umzugehen, erzählt vom Autor viel und vom
Filmemachen auch. Berechtigt wurde er in weiterer Folge einmal als "anarchische
Frischzellenkur auf Zelluloid" bezeichnet.
In all seinen Filmen haben höherer Blödsinn ebenso Platz wie formalästhetische
Analysen. Die Frage der Wahrnehmung ist wohl ein Schlüssel zum Verständnis
seiner Filme. Gehorcht die Wahrnehmung logischen Gesetzen oder ist sie vielmehr
ein Geflecht aus Assoziationen? "All you can eat": ein Stück Film
aus found footage zusammengesetzt- gefunden hat er Männer aus alten Pornofilmen,
besser gesagt die Gesichter von Männer beim sexuellen Akt. Der eigentlich
Film läuft im Kopf des Zuschauers ab. Die Sexualpraktiken sind durch die
Wahl des Filmausschnitts nur zu ahnen, der Phantasie des Zuschauers bleibt es
überlassen, was außerhalb des Filmausschnitts passiert. In jeden
Fall ist ein appetitanregendes Häppchen am heißen Buffet, ein herrlich-männlicher
Film, der das Unbewußte im Zuschauer zur Leinwand macht.
In "Todesstreifen" hält sich ein junger Mann im Niemandsland auf.
Gleichzeitig sieht man ihn sitzend an eine Mauer gelehnt, den Blick auf die
verwilderte Umgebung. Die Perspektiven von innen und außen vereinigen
sich in einem phantastischen Schnittpunkt von gegenläufigen Bewegungen,
schnellen Kamerafahrten und Momentaufnahmen.
Ein weiteres Versatzstück aus Brynntrups Werkstatt: "Liebe, Eifersucht
und Rache", eine "spontane, kitschige, treffsichere pikante Völkerverständigungsparabel",
wie es in der Bergründung bei der Preisverleihung beim Dresdner Filmfest
hieß. Der Undergroundstar BeV StroganoV telefoniert als Mann in einer
Schwulenbar am einen Ende, als aufgedonnerte Tussi am anderen Ende der Leitung
bis zum pornopraphischen Ende. Ein weiteres Versatzstück: " Herzsofort.
Setzung!" - ein Spiel mit dem eigenen Bild, Metamorphosen, Narziss- mus,
Selbstbespiegelungen, Selbstreflexionen, Selbstzersetzungen.
Und schließlich "Loverfilm" - ein persönliches Tagebuch über
die Liebhaber des Michael Brynntrup oder eine höchst artifizielle und höchst
erotische Männerköpfegallerie - eben eine unkontrollierte Freisetzung
von Information, wie Brynntrup selbst schreibt.In Zeiten einer Informationsgesellschaft
geht Brynntrup mit seiner Liebhabergallerie auch um wie mit einer Datenbank.
Ergebnis: Ein sehr struktureller, serieller Film, aber auch mit den persönlichen
Kommentaren gespickt, ein sehr witziger, selbstreflektiver und erotischer Film.
Und daß das Schwulsein oder das Schwule in seinen Filmen provozieren könnte,
sieht Brynntrup als sehr subjektive Reaktion. Schließlich sei, so Brynntrup
in einem Interview das Schwule Realität und somit normal. Walter Hiller